AkklimiatisierungExpeditionen

Tage 13-15. Camps Kanada und Nido de Condores

By 24. Februar 2023 No Comments

Tag 13. Camp Kanada

Das Wetter war sonnig. Unten wurde das Lager der Plaza de Mulas kleiner und kleiner und verwandelte sich allmählich in winzige runde, vielfarbige Punkte, die zwischen den kahlen braunen Felsen und blendend weißen Gletschern verstreut waren.

Wir brauchten ein paar Stunden, um das erste Hochcamp, Camp Canada, zu erreichen. Direkt vor dem Lager war es ziemlich schwierig zu gehen: Meine Lunge brauchte mehr Sauerstoff. Jeder Schritt machte mich atemlos. Ich sah mich um, meine Augen versuchten zumindest ein paar Anzeichen dafür zu finden, dass wir uns schon dem Lager nähern. Das Lager spielte mit mir Verstecken und war hinter den Felsen direkt vor uns überhaupt nicht zu sehen.

Das Camp selbst war klein, aber mit wunderbaren Ausblicken auf das darunter liegende Tal und die Gletscher. Im Camp traffen wir eine Gruppe von Medizinern aus den Vereinigten Staaten, die die Qualität der medizinischen Versorgung im Nationalpark untersuchen. Es gab nur eine Frage, die alle im Kopf hatten:

„Wann geht ihr ganz oben?“

„Das wissen wir noch nicht. Wir sind gerade dabei, uns zu akklimatisieren. Morgen wandern wir ins nächste Camp und bringen unser Zeug dahin. Danach schauen wir“, antwortete Chris.

Nach einem kurzen Spaziergang und dem Bewundern der wundervollen Panoramen sammelte Chris Schnee um Wasser zu kochen und das Abendessen für uns vorzubereiten. Das Essen von der Tüte stellte sich als sehr lecker heraus: Diesmal aßen wir Kartoffelpüree mit Gemüse und Fleisch.

Wir haben im Zelt Liebe gemacht, unseren persönlichen Rekord auf fast 5000 m über dem Meeresspiegel aufgestellt 🙂 und sind direkt ins Bett gegangen. Andere Unterhaltung gibt’s hier ohnehin nicht zu finden. Morgen müssen wir früh aufstehen und ins zweite Lager ziehen.

 

Tag 14. Camp Nido de Condores

Nach dem Aufwachen lagen wir ziemlich lange im Schlafsack rum, versuchten unsere kalten Füße zu wärmen und warteten auf die Sonne. Von nun an ist es zu unserem Ritual geworden, lange auf die morgendlichen Lichtstrahlen zu warten, damit sie erst das Zelt aufheizen und wir danach aufstehen und Frühstück kochen können. Mit der Sonne und der Temperatur im Zelt stieg auch gleichzeitig unsere Stimmung.

Nach dem Frühstück packten wir ein Zelt zusammen, alles was wir für die nächsten Tage brauchten, inklusive Gasflaschen, Wasserkocher, Proviant etc. Wie üblich schleppte Chris eine riesige Reisetasche hoch. Er ist ein Roboter, eine Maschine. Ich frage mich immer, wie er so viel Zeug tragen kann. Ich hatte „nur“ zwei Rucksäcke aneinander befestigt. Wir hatten so viel Gewicht zu tragen, besonders in dieser Höhe, wo jeder Schritt so schwer nachgibt!

Je näher wir dem zweiten Lager kamen, desto schlechter wurde das Wetter und desto schwieriger wurde es für uns, nicht nur zu gehen, sondern auch zu atmen, zu sprechen und uns zu konzentrieren. Vor allem direkt vor dem Camp mussten wir einige Stopps einlegen, um unseren Schultern eine Pause von der Last zu gönnen, Luft zu holen und Tee zu trinken. Der Weg schien endlos. Das Ziel war nicht zu sehen: Der ganze Gegnd war in dichten Nebel gehüllt. Es war nur ein paar Meter weiter vor uns sichtbar. Auch Neu- und Tiefschnee erschwerten den Aufstieg. Wir sind einfach darin ertrunken. In dieser riesigen weißen Welle.

Doch nach einiger Zeit sahen wir endlich zuerst das Windlicht, dann die Fahne, dann die Hütte des Lagerwächters und schließlich das gesamte Lager von Nido de Condores. Wegen des dichten Nebels war nicht klar, wo wir unser Zelt aufschlagen sollten. Wir entschieden uns, es direkt hinter dem grauen Wagen zu platzieren. Später ließen sich auch unsere amerikanischen Arztfreunde in der Nähe nieder. Müde und erschöpft schliefen wir schnell ein.

Tag 15. Ruhetag bei schlechtem Wetter

Den ganzen nächsten Tag verbrachten wir in einem kleinen Zelt in Nido de Condores, der wunderschön zwischen riesigen Bergketten gelegen ist. Es hat geschneit. Der Rest der 5 Leute aus dem Team sollte zum Abendessen kommen. Der sechste entschied sich aufgrund von starkem Husten und Schlaflosigkeit, ganz unten zu bleiben.

Als wir spazieren gingen, sahen wir nur, wie unsere Gruppe bereits die Zelte oben auf dem Lager aufstellte. Vielleicht war es eine gute Idee, dass sie Träger anheuerten, um ihre Zelte und einen Teil ihrer Ausrüstung hochzubringen. Allerdings war es ziemlich teuer. Chris und ich entschieden uns, auf den Service von Porters zu verzichten, da wir bereits unsere gesamte Ausrüstung hochgeschleppt hatten.

Die 100 Meter zu den Zelten des restlichen Teams zu laufen kam mir vor wie eine Ewigkeit: Jeder Schritt war extrem schwierig. Ich kam mir vor wie ein schwacher alter Mann am Rande seines Lebenss, der versucht, zur nächsten Apotheke zu gelangen. Wie schaffe ich es nach oben zu wandern, wenn es schon hier schwer ist, zwei Schritte zu gehen?

Es kam uns ein wenig seltsam vor, dass das Team nicht nach uns und unserem Zelt gesucht hat, um sich in der Nähe niederzulassen, aber man kann sie verstehen – müde, kalt und hungrig hatten sie jetzt andere Prioritäten.

Wir konnten noch eine Weile im großen Gruppenzelt von Inca Expediciones, einem lokalen Partner-Expeditionsunternehmen, sitzen und uns unterhalten, und kehrten dann zu unserem Zelt zurück: Es schneite in riesigen Flocken und es war schon sehr, sehr kalt. Im Zelt bemerkte ich, wie meine Daunenjacke ganz nass war. Das sind schlechte Nachrichten. Ich hoffe, sie wird bis morgen trocken: ich werde die ganze Nacht mit meiner Jacke im Schlafsack schlafen.

Generell hatte ich dieses Mal kein Glück mit der Ausrüstung: Auch meine Hardshelljacke war an mehreren Stellen eingerissen, die neue Hose war zu groß und meine Skibrille beschlug ständig. Ich muss vor der nächsten Expedition einen Teil der Ausrüstung auf den neuesten Stand bringen.

Die meiste Zeit verbrachten wir, wie gesagt, in einem winzigen Zelt und kommunizierten zu einer vereinbarten Zeit mit anderen Teammitgliedern über Funk. Durch die Funkfrequenz der Parkwächter des Parks hörte ich wie das oberste dritte Lager, Cholera, und die Parkverwaltung sich auf Spanisch unterhielten. Morgen werden einige Kanadier trotz der schrecklichen Bedingungen versuchen, den Gipfel zu erklimmen: Der Berg hat in seiner Geschichte schon lange nicht mehr so ​​viel Schnee gesehen.

Wir hatten ein kleines Fenster an der Seite unseres Zeltes, durch das ich hören konnte, was andere Kletterer unten in der Nähe von Nachbarzelten sagten und taten. Ich fühlte mich wie eine Art Oma aus meiner Nachbarschaft in Berlin, die aufmerksam alles beobachtete, was auf der Straße passiert. Durch dasselbe Fenster konnte man direkt vom Schlafsack aus die wunderschöne Sonnenuntergänge beobachten, ohne das Zelt zu verlassen und ohne meinen zarten, sinnlichen, schwulen Körper der rauen und erbarmungslosen Kälte draußen auszusetzen 🙂 .

Morgen müssen wir in die Lager von Berlin und Cholera klettern. Wir waren uns nicht sicher, ob wir am übernächsten Tag versuchen sollten, den Gipfel zu besteigen, oder nur eine Akklimatisierungstour machen sollten?

Nachdem wir uns mit anderen im Lager unterhalten hatten, war uns klar, dass die Chancen, ganz nach oben zu gehen, äußerst gering waren – das Wetter war instabil, es gab viel Schnee und hohe Lawinengefahr.

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